Die Süsse unserer traurigen Kindheit
21., 22., 23., 29., 30. Oktober, 1. November 2005
Die Süße unserer traurigen Kindheit ist ein Musiktheaterprojekt, das sich mit vielschichtigen musikalischen, szenischen und visuellen Mitteln an Texte und Briefe von Georg Trakl, wohl einem der prägenden Figuren des literarischen Expressionismus annähert. Seine Gedichte sind seit vielen Jahren Ausgangspunkt für kammermusikalische und elektroakustische Kompositionen Hans Tutschkus.
In diesem Stück kombiniert er seine musikalischen Textausdeutungen mit einem ungewöhnlichen Bühnenraum, fünf Instrumentalsolisten, zwei Sängerinnen, einem Tänzer und Videoprojektion. Die Zuschauer werden dabei in den Aufführungsraum integriert und die Grenzlinien zwischen Akteuren und Betrachtern in Frage gestellt.
Das Regiekonzept von Françoise Rivalland wurde in enger Zusammenarbeit mit dem Komponisten erarbeitet und unterstreicht ihren gemeinsamen Ausgangspunkt – dass es keine eindeutige Interpretation der Gedichte geben kann. Das Projekt versucht, eine kleine Auswahl von Gedichten und Briefausschnitten von verschiedenen Seiten zu beleuchten.
Die verwendeten Texte kreisen in mehrfacher Hinsicht um das Thema Kindheit: zum einen Gedichte und Brieffragmente, die direkt mit Trakls Biografie, seiner Jugend, mit der starken Beziehung zu seiner Schwester zu tun haben und zum anderen Texte, die den Komponisten an seine eigene Kindheit erinnern.
Das Bühnenbild besteht zum Teil aus Naturmaterialien, die der Bildwelt Trakls entlehnt sind – dieser Bildwelt der Natur mit ihren sonderbaren Farben und Stimmungen.
Wasser, Steine, Blätter und Zweige werden als visuelles Element, aber auch klanglich eingesetzt und finden sich schließlich auch in den Videoprojektionen wieder.
Ein ungewöhnliches und bewegendes Musiktheater um das Nachsinnen über die Zerbrechlichkeit von Nähe.
Das Projekt wird realisiert mit freundlicher Unterstützung der Akademie Schloss Solitude.
Komposition und Konzept: Hans Tutschku
Regie: Françoise Rivalland
Live-Elektronik-Design: Carl Faia
Live-Video-Processing: Mark Coniglio
Musikalische Leitung: Alexander G. Adiarte
Sängerinnen: Sarah Maria Sun, Anne-May Krüger, Sopran
Tänzer: Hans-Georg Lenhart
Sprechstimme: Peter Rauch
Ensemble ascolta
Erik Borgir: Cello
Florian Hoelscher: Klavier
Martin Homann: Schlagzeug
Zoltán Kovács: Klarinette
Nataša Marić: Flöte
Live-Video Assistenz: Katrin Jedon
Dramaturgie Assistenz: Peter C. von Salis
Ausschnitt
Stereomischung des gesamten Werks
Aufführung
Proben
Pressestimmen zur Uraufführung am 21.10.2005
Spiegelung, Wiederholung, Modulation, Transformation sind wesentliche Parameter für Tutschkus Musiktheater. Dazu gehört vor allem die enge Verbindung und Nähe der Live-Elektronik zu den fünf Musikern des Ensembles Ascolta. Quasi mikroskopisch werden Instrumentalgesten vergrößert und erweitert zu einer vielschichtigen Polyphonie des Hörens. Daraus entsteht eine vieldeutige Magie der Klänge, die dem Sujet Trakl wirkungsvoll adäquat ist.
Ludwigsburger Kreiszeitung
(…) man dürfte uneingeschränkt den Einsatz der Elektronik in diesem Stück loben – die so fein (und manchmal gar ironisch) mitspielt und die so intelligent fortführt und hinterfragt, was die von Alexander G. Adiarte angeleiteten fünf Musiker des Ensembles Ascolta erklingen lassen, die sich an den Rändern des abgesteckten Klangraumes niedergelassen haben. Die Stärke der Musik liegt auch in ihrer klaren Struktur, an der (Wieder-)Erkennbarkeit ihrer Muster, an ihrer logisch konstruierten kreisähnlichen Form. Dabei klingt sie, indem sich ganz allmählich Töne zu Intervallen fügen und Intervalle zu Akkorden, ungemein schön, tief, poetisch und in keinem einzigen Augenblick platt. (…)
Im Wechselspiel zwischen Realem und Reproduziertem, das die Elektronik virtuos befördert, findet man neben vielem anderen immer wieder auch jenes Tönen von „Wohllaut und weichem Wahnsinn“ wieder, von dem Trakl einmal schrieb. Als seien ihm, der auch gern und zumal mit Zeiten spielte, Hans Tutschkus Klänge lang zuvor schon begegnet. Wer weiß.
Stuttgarter Nachrichten
Für einen Komponisten, der sich seit seiner Jugend der Gefühls- und Bilderwelt Trakls eng verbunden fühlt und sich in seinen kammermusikalischen Werken wiederholt auf dessen Texte bezog, muss es eine reizvolle, aber auch schwierige Idee gewesen sein, mit solchen dichterischen Visionen einmal in der Form des Musiktheaters zu experimentieren. Die in der Blackbox des FNM nun realisierte Aufführung ist ein gelungener Versuch der Annäherung.
Cannstatter Zeitung