Die Klang- und Lichtinstallation nighttime songs from afar für das James Turrell Skyscape an der Rice University lädt die Zuhörer zu einer imaginären Reise ein. Inspiriert von Volksliedern, Gebeten und Wiegenliedern verschiedener Kulturen, verwebt das Werk neu komponierte Kontrapunkte, die an diese Traditionen anknüpfen. Einige dieser Melodien wurden mit der in Boston ansässigen Sopranistin Jennifer Ashe aufgenommen, während viele andere durch computergenerierte Stimmen entstehen.
Das enge Zusammenspiel von Musik und Lichtsequenzen formt ein zeitliches Ritual, das durch wechselnde Spannungen führt, bevor sie schliesslich aufgelöst werden.
HÖR-RITUALE: HANS TUTSCHKU AM MOODY CENTER
Joseph Wozny – 13. März 2018 – Houston Music
Hans Tutschku präsentiert die Uraufführung von nighttime songs from afar, einer Klang- und Lichtinstallation, die speziell für James Turrells Twilight Epiphany komponiert wurde.
Die Installation wird am 7. April in Twilight Epiphany an der Rice University gezeigt.
Im Booklet einer kommenden CD, die beim GRM (Groupe de Recherches Musicales) in Paris erscheinen wird, beschreibt der Komponist Hans Tutschku, Professor für Musik an der Harvard University, das Hörritual folgendermaßen:
"Hören […] ohne irgendetwas anderes zu tun – einfach in die Klangwelt eintauchen und den inneren Bildern und Vorstellungen freien Lauf lassen."
Tutschkus Besuch an der Rice University, ursprünglich geplant und dann aufgrund von Hurrikan Harvey verschoben, wurde nun endlich für Anfang April neu angesetzt. Organisiert wird das Event von REMLABS und dem Moody Center for the Arts.
Tutschkus Werk umfasst ein breites Spektrum – von instrumentalen und elektroakustischen Kompositionen bis hin zu Installationen und Improvisationen. Doch die Grenzen zwischen diesen Bereichen sind fließend: Ein akustischer Klang, der aufgenommen wird, wird elektronisch, dann durch Lautsprecher erneut akustisch. Eine Sinuswelle ist eine Frequenz, genauso wie eine Note auf einem Klavier eine Frequenz ist. Wie viele zeitgenössische Komponisten betrachtet Tutschku das Hören als Ritual. Seine elektroakustischen Werke sind oft mehrkanalig – manchmal mit bis zu 32 Lautsprechern –, um den Hörer vollständig in ein klangliches Umfeld einzubinden, in dem dieses Ritual stattfindet.
Am 5. April wird Tutschku elektroakustische Werke für Klavier und Elektronik im Lois Chiles Studio Theater des Moody Centers aufführen, darunter die Uraufführung von virtual bodies. Das Programm umfasst außerdem sein ältestes Werk für Klavier und Elektronik, Bleierne Klavier, das er 20 Jahre zuvor komponierte. Alle drei Werke sind mehrkanalig.
Am 7. April wird Tutschku nighttime songs from afar präsentieren, eine Klang- und Lichtinstallation, die speziell für Twilight Epiphany konzipiert wurde. Dieses 40-minütige zeitliche Ritual basiert auf aufgezeichneten und computergenerierten Volksliedern, Gebeten und Wiegenliedern. Die Installation wird bis zum 23. April gezeigt und steht in direkter Verbindung zur allabendlichen Lichtsequenz bei Sonnenuntergang.
Tutschku bietet auf seiner Website eine umfangreiche Sammlung von Texten und Vorträgen, die seine Ideen vertiefen. Außerdem gibt er Workshops für Musiker und Nicht-Musiker.
Interview mit Hans Tutschku
A+C TX: Was bedeutet für Sie das Hörritual?
Hans Tutschku: In einer Zeit, in der alles auf die Sekunde genau durchgetaktet ist und Multitasking zur Norm geworden ist, suche ich nach Möglichkeiten, mentale und physische Räume zu schaffen, in denen eine andere Zeitwahrnehmung uns zum Träumen und Entdecken einlädt. In jeder Kultur gibt es Rituale, die mit Hingabe gefeiert werden. Auch das bewusste Hören kann ein solcher Moment der vollen Aufmerksamkeit sein.
Wie sind Sie dazu gekommen, mit aufgenommenen Klängen zu arbeiten?
Ich habe bereits früh Klavier gelernt, da meine Eltern Musiker sind. Mit 15 entdeckte ich die elektronische Musik und begann, mit analogen Synthesizern zu experimentieren. Schon damals faszinierte mich die direkte Arbeit mit Klängen weit mehr als das Schreiben von Musiknoten.
Ihre ersten instrumentalen Werke entstanden erst nach Ihren elektroakustischen Kompositionen. Hat das eine das andere beeinflusst?
Beides war von Anfang an gleichwertig präsent. Ich begann damit, in einem Improvisationsensemble zu spielen und Werke zu schaffen, in denen Instrumente und elektronische Klänge verschmolzen – allerdings ohne traditionelle Notation. Die Kommunikation mit den anderen Musikern erfolgte direkt. Erst als ich begann, für andere Interpreten zu schreiben, wurde eine Partitur notwendig.
In der Beschreibung Ihrer Installation an der Rice University sprechen Sie von „neuen Kontrapunkten“. Machen Sie für sich eine klare Unterscheidung zwischen Installation, Komposition und Multimedia?
Es gibt definitiv einen Unterschied zwischen einer Konzertkomposition und einer ortsbezogenen Arbeit. Nighttime songs from afar verbindet Stimmen aus verschiedenen Kulturen und Gesangstraditionen miteinander. Während des Komponierens stellte ich mir eine Art rituelle Feier eines fremden Volkes vor – eine Zeremonie, deren Bedeutung mir nicht bekannt ist. Doch auch ohne Erklärung spüre ich die Intensität und Hingabe der Beteiligten. Meine eigene Interpretation entsteht in diesem Moment, indem ich meine Erfahrungen, Erwartungen und Geschichten mit dem Gehörten verschmelzen lasse.
Hat die Architektur des Skyspace Ihren Schaffensprozess beeinflusst?
Nachdem ich Turrells Lichtsequenz mehrmals beobachtet hatte, war ich fasziniert davon, wie sich die Wahrnehmung der Farben und des Himmels verändert. Mit einfachen Mitteln wird eine scheinbar bekannte Realität so verändert, dass sie plötzlich fremd erscheint. Genau das ist auch mein künstlerischer Ansatz: Ein vermeintlich vertrauter Klang kann Ausgangspunkt für eine völlig neue Entdeckung sein.
Was sind Ihre nächsten Projekte? Gibt es bestimmte Themen, die Sie weiterverfolgen möchten?
Seit meiner Kindheit bin ich von anderen Kunstformen fasziniert – Malerei, Skulptur, Tanz, Fotografie, Keramik. Ich habe sie im Laufe der Zeit ausprobiert, nicht um Meister in jeder Disziplin zu werden, sondern um neue Sinneserfahrungen zu machen. Meine Musik wird von einem zentralen Prinzip geleitet: dem musikalischen Gestus. Sowohl elektronische als auch instrumentale Klänge müssen eine Art physische Geste enthalten, die sie organisch erscheinen lässt.
Haben Sie eine spezielle Lehrmethode? Wie bringen Sie die nächste Generation von Komponisten weiter?
Oh, das ist ein eigenes Thema für sich! Aber ja, Unterrichten ist für mich essenziell. Es ist nicht nur mein Beruf, sondern eine Leidenschaft. Der kreative Austausch mit jungen Künstlern, das gemeinsame Entdecken des Warum und Wie – das fasziniert mich. Ich habe gerade meinen fünften Sommerkurs abgeschlossen und werde weiterhin international unterrichten, nicht nur für Musiker.
Möchten Sie noch etwas hinzufügen?
Das Konzert und die Installation bieten zwei sehr unterschiedliche musikalische Erfahrungen und spannen einen Bogen über 20 Jahre meines Schaffens. Ich werde sowohl mein ältestes als auch mein jüngstes Werk für Klavier und Elektronik aufführen: Das Bleierne Klavier und virtual bodies. Beide Werke beschäftigen sich mit der Verbindung von Gestik und Elektronik, erweitern die Klangmöglichkeiten des Klaviers und lösen die Trennung zwischen Aktion und Reaktion auf.
Alle Stücke erzählen eine Geschichte im Stil eines Kinos für die Ohren. Das Publikum wird eingeladen, seinen eigenen Weg durch eine Musik zu finden, die über die Grenzen traditioneller Instrumente hinausgeht.